Phantasievolle Interpretationen
Fast 95 Prozent Beteiligung bei Kommunalwahl in Kuba – Miami spricht von Zeichen der Unzufriedenheit
Als eine »klare Antwort auf die Medienkampagne gegen die
Insel« haben kubanische Medien die Ergebnisse der
Kommunalwahlen vom vergangenen Sonntag bewertet. Der
Nationalen Wahlkommission (CEN) zufolge stimmten genau
8205994 Kubanerinnen und Kubaner ab, was einer
Wahlbeteiligung von 94,69 Prozent entspricht. In absoluten
Zahlen waren das in diesem Jahr knapp 30000 Menschen mehr
als bei der letzten Wahl vor drei Jahren. Angesichts einer
gewachsenen Bevölkerungszahl bedeutet dies jedoch prozentual
etwas weniger Beteiligung als 2007, als 95,44 Prozent zur
Wahl gingen. 12986 Kandidaten konnten sich in dieser ersten
Wahlrunde durchsetzen und werden künftig in den
Lokalparlamenten ihre Bezirke gegenüber den Behörden
vertreten. Über 2107 Mandate wird hingegen erst in
Stichwahlen am 2. Mai entschieden, weil in den betroffenen
Gebieten kein Bewerber die erforderliche absolute Mehrheit
der Stimmen erreichte. Für jedes Mandat hatte es zwischen
zwei und acht Kandidaten gegeben.
Javier Rodríguez
Roque erinnerte für die kubanische Agentur Prensa Latina
daran, daß die Anwärter zuvor in Nachbarschaftsversammlungen
nominiert wurden. »Gerade das ist einer der Punkte, auf die
die Bevölkerung stolz ist: seit der Entstehung des Systems
der Volksmacht 1976 selbst entscheiden zu können, wer
aufgestellt und wer gewählt wird. Das hat viel mit der
Geschichte der Nation vor der Revolution zu tun, als die
traditionellen Parteien und wirtschaftlichen Lobbygruppen
die Wahlen kontrollierten und ihre Vertreter in den
Machtorganen durchsetzten.«
Phantasievoll
interpretierten hingegen die Konterrevolutionäre in Miami
das Ergebnis. 4,58 Prozent leer abgegebene und 4,33 Prozent
ungültige Stimmzettel sowie eine »leicht gesunkene«
Wahlbeteiligung sind nach Ansicht der Tageszeitung The Miami
Herald Signal für eine »zunehmende Unzufriedenheit« auf der
Insel. »Die beiden Veränderungen spiegeln, obwohl sie
relativ gering sind, die immer größere Frustration der
Kubaner angesichts der Wirtschaftskrise sowie die Meinung
wider, daß die Wahlen die systemischen Probleme wie die
übermäßige Zentralisierung, die Korruption und Ineffizienz
nicht lösen werden«, schreibt das Blatt unter Berufung auf
»Dissidenten«.
Diese Interpretation wird von
seriösen Beobachtern selbst außerhalb der Insel nicht
geteilt. »Die Kommunalwahlen in Kuba zeigten allen Menschen
der Welt, daß auch ohne Parteien eine partizipative
Demokratie existieren kann, zumindest zeigt das die
massenhafte Beteiligung an den Wahlurnen«, kommentierte
Claudia Solórzano in der Tageszeitung Co Latino, dem
ältesten Blatt El Salvadors.
Andere internationale
Medien stürzten sich hingegen erneut auf die Show der »Damen
in Weiß«, die auch am, Sonntag versuchten, eine
Demonstration durchzuführen. Diese Gruppe mußte in den
vergangenen Wochen wiederholt von der Polizei vor Anhängern
der Revolution beschützt werden, die sie lautstark
beschimpften und an ihren Aktionen hinderten. Auch am
Sonntag hatten sich rund 50 Gegendemonstranten versammelt,
als die »lediglich sechs Demonstrantinnen«, so die
Nachrichtenagentur DAPD, losgehen wollten. In einem Park in
Havanna lieferten sie sich mit den »Damen« stundenlange
Wortgefechte. Zu ernsthaften Zwischenfällen kam es jedoch
nicht.
(PL/AFP/apn/jW)